2.
Akt – Inzwischen ist ein Jahr vergangen und die Schachweltmeisterschaft steht
wieder an. Sie findet 1963 in Bangkok, der fernöstlichen Metropole statt.
Gleich zu Beginn wird die ganze Bühne in asiatisches Flair getaucht. Da kommen
Mönche in orangefarbenen Kutten auf die Bühne, aber auch schön gekleidete
Thaimädchen. Das schöne Ambiente ändert aber nichts daran, dass immer noch
immer politische Intrigen das Spiel bestimmen.
Der
Schiedsrichter erscheint als Zuhälter und erzählt uns über einen
außergewöhnlich schönen Ort, der nicht nur schöne Seiten hat – „One Night in Bangkok“.
Der
ehemalige Schachweltmeister Frederick Trumper ist nun als TV-Reporter dabei.
Anatoly und Florence sehen ihn im Fernsehen. Er wird das Spiel zwischen Anatoly,
der ja nun staatenlos ist, aber von den Amerikanern betreut wird, und dem
sowjetischen Herausforderer Viigand kommentieren. Florence liest in der
Zeitung, dass Svetlana, Anatoly’s Frau, auch in Bangkok sein wird. Anatoly
vermutet sofort, dass Molokov dahinter steckt. Anatoly und Florence beteuern
sich noch einmal ihre Liebe – „Du und ich“ (You and I).
Der KGB hat das Gespräch zwischen Anatoly und Florence aufgezeichnet
und Molokov hört es nun ab. Er ist nun der Agent des neuen Herausforderers und
will mit Hilfe dieses Bandes Anatoly zur Kapitulation zwingen.
Molokov
versucht Walter, den nun der Agent von Anatoly ist, zu erpressen, indem er ihm erzählt, dass der Vater von
Florence noch lebt und in Russland gefangen gehalten wird. Für den Fall, dass
Anatoly den Kampf freiwillig verliert, würde er dafür sorgen, dass der Vater
und andere Widerstandskämpfer freigelassen würden – „Die sowjetische
Maschine“ (Soviet Machine).
Walter
gibt Frederick, der ein Interview mit Anatoly führen soll, einen Brief von
Svetlana und eine Filmrolle mit. Frederick benutzt das Material jedoch gegen
Anatoly, um ihm heimzuzahlen, dass er ihm Florence ausgespannt hat. Er stellt
ihn bei dem Interview vor dem amerikanischen Publikum bloß, indem er von der
verlassenen Frau erzählt und den Film mit Svetlana vorspielt.
Nun
erpresst Molokov Svetlana (Angelina Arnold), dass sie Druck auf Anatoly ausüben
soll, er solle das Spiel zu verlieren.
Auch
Florence soll Druck auf Anatoly ausüben, damit ihr Vater freigelassen wird.
Schließlich rät auch noch Frederick Anatoly, einen bestimmten Fehler im Spiel
zu machen, damit er das Spiel verliert. Er liebt Florence noch immer und hofft,
sie auf diese Weise zurückzubekommen
- „Der Deal“ – Jeder ist allein, ganz allein.
Als
Florence und Svetlana sich alleine gegenüberstehen, stellen sie fest, dass jede
von ihnen Anatoly etwas anderes zu geben vermochte. Keine von beiden möchte ihn
wirklich jedoch ganz zurückhaben, weil sie ihn ja inzwischen so gut kennen – „Ich
weiß, was er fühlt“ (I know him so well). Stark !! – viel mehr fällt mir
zu diesem Titel nicht ein. Da treffen zwei Frauenstimmen aufeinander, die beide
alleine schon raumfüllend sind. Zusammen klingen sie umwerfend, atemberaubend
und gänsehaut-erzeugend *whow*.
Frederick
bedeutet Schach noch immer sehr viel. Das ist auch der Grund, warum er Anatoly
zu einem geheimen Treffen gebeten hat. Er ist nun der Meinung, der Bessere
müsse gewinnen – um des Schach’s willen. Er gibt Anatoly einen sehr guten Tipp,
wie er den Gegner noch besiegen kann.
Das
Spiel zwischen Anatoly und Viigand geht weiter. Frederick kommentiert das Spiel
fürs Fernsehen. Anatoly hat den Rat von Frederick angenommen und gewinnt
entgegen aller Vernunft doch noch das Spiel – „Entscheidungsspiel“
(Endgame)
Florence
ist enttäuscht und trennt sich von Anatoly. Walter und Florence kommen zu der
bitteren Erkenntnis, dass Anatoly genau so reagiert hat, wie Molokov es wollte
und vorausgesehen hatte. Er hatte nur etwas anderes fordern müssen, damit
Anatoly das Gegenteil tun würde. Die Sowjets haben einen Sieg auf der ganzen
Linie: die Widerstandskämpfer müssen nicht freigelassen werden und der Emigrant
Anatoly kehrt reumütig zu seiner Familie nach Russland zurück.
Zurück
bleibt eine traurige Florence, die alles verloren hat und nun alleine die
Reprise des Liedes „Anthem“ singt. Unheimlich stark auch bei diesem
Lied wieder Annika Bruhns. Mit sehr viel Ausdruck und sehr guter Stimme hat sie
das Publikum überzeugen können.
Wie
im Schachspiel wurden die Figuren auf dem Brett verschoben, nur dass es sich
hier um die Schicksale von Menschen gehandelt hat. Zurück bleibt da ein
merkwürdiges Gefühl, weil man vielleicht ja selbst auch eine solche Schachfigur
ist ?!?
Tja,
und das war es dann auch schon. Die Darsteller wurden mit langanhaltendem
Beifall belohnt, den sie auch ehrlich verdient hatten. Der Eindruck, der in uns
zurück blieb, war, dass da wunderschöne, ausdrucksstarke Stimmen auf der Bühne
vereint waren. Zusammen haben sie sehr gut harmoniert, einzeln jedoch auch
völlig überzeugt. So kann man diese Produktion vorbehaltlos weiterempfehlen.
Etwas
hemmend auf den Spielablauf wirkten sich manche recht langen, gesprochenen
Dialoge aus. Ohne diese wäre jedoch mancher Übergang nicht verständlich
gewesen. Das gesamte Thema ist heute recht schwer zu verstehen, auch weil die
Zeit des kalten Krieges (zum Glück!) vorbei ist und sich die jetzige Generation
nicht mehr in die damalige Situation eindenken kann.
Die
Lieder wurden zum ersten Mal in deutscher Sprache gesungen. Die Übersetzung ist
auch sehr gut gelungen und wirkte sich nicht nachteilig auf die Songs aus.
Gaines Hall – als
Frederick Trumper
Gaines
in einer sehr ungewöhnlichen Rolle. Er spielt den „Bösen“, was, wie er uns
einmal erzählte, seine liebste Rolle sei.
Exzentrisch,
selbstverliebt, im tiefsten Innern aber sehr unsicher und verletzlich – so
stellt er den amerikanische Schachtweltmeister da. Gaines ist Amerikaner, sieht
so aus und hier spielt er ihn auch auf der Bühne. Aber Trumper ist keine Figur,
die Mitgefühl erzeugt, ganz im Gegenteil. Und trotzdem bleibt zum Schluss doch
etwas Sympathie zurück, weil er sein Schach so liebt, dass er sogar seinem
Widersacher einen Tipp gibt.
Trumper
ist aber wie alle anderen Darsteller nur eine Figur auf dem Brett des Lebens,
die wie eine Schachfigur eingesetzt und für den „Kampf“ benutzt wird.
Wir
haben wirklich einen anderen Gaines erlebt als sonst, aber auch dieser Gaines
war sehr gut. Seine Lieder waren sicher nicht einfach zu interpretieren, denn
bei „Arm ist das Kind“ -„Pity the child“- spielte so viel Emotion mit, dass das
sicher alles gefordert hat. Aber auch z.B. „Der Deal“ und „Entscheidungsspiel“ sind
Songs, die durch die Vielzahl der Mitwirkenden volle Konzentration und sehr
gute Stimme erfordern. Absolut Spitze!
Charles Fornara – als
Anatoly Sergievsky
Schon
von der Statur und vom Auftreten – mal abgesehen von dem leicht wippenden Gang J - ist Charles die
Ideal-Besetzung für einen Russen. So stellt man sich die halt vor. Das
gewaltige Stimmvermögen konnte er auch bei den Liedern in diesem Stück sehr gut
einsetzen, aber glücklicher Weise
waren da auch ab und an leise Töne gefordert, die dann auch mal einen
anderen Charles zutage brachten.
Das
absolute Highlight war natürlich „Anthem“ – keine Frage. Die Gänsehaut kriecht
mir heute noch über den Körper. Aber auch bei dem „Entscheidungsspiel“ konnte
man die volle Stimmkraft erleben. Da übertönte er noch das gesamte Team von
Kassel, das wirklich insgesamt sehr gut war.
Annika Bruhns – als Florence Vassy
Was Annika in Kassel auf die Bühne gebracht hat, das hat sogar mich überzeugt! Sie hat mit einer klaren und sauberen Stimme, aber auch mit sehr viel Stimmvolumen ihren Part vorgetragen. Die hohen Töne waren absolut kein Problem und was mich am meisten überraschte, das waren die zarten, leise Töne, die ich so von ihr noch nicht gehört hatte. Eine überzeugende Darbietung!
Wolf Steinbach – als
Alexander Molokov
Der KGB-Agent im schwarzen Ledermantel sollte sicher nur eine Nebenrolle sein und er wäre uns auch bestimmt nicht weiter aufgefallen, weil die Rolle sehr unsympathisch war, - wäre da nicht die wundervolle Stimme gewesen. Mit sehr angenehmen, starken Bass (oder war´s noch Bariton??) sang er sich in unsere Ohren. Sehr gut!
Erwin Windegger – als
Schiedsrichter
Die
Rolle des Schiedsrichters war in Kassel dadurch aufgewertet worden, dass man
ihm das Lied „One Night in Bangkok“ zugeordnet hat. Erwin Windegger spielte die Rolle des Neutralen überzeugend
- mit grimmiger Miene und starker Stimme.
Schade,
dass das Lied „One Night in Bangkok“ bei der Kasseler Aufführung ein bisschen
vernachlässigt wurde. Es fehlte der starke Rhythmus, der Schmiss, das, was
dieses Lied eigentlich ausmacht.
Gaines
hatte uns dieses Lied bei „In Concert“ viel stärker, viel rhythmischer,
eindrucksvoller vorgestellt. Schade, dass er es in Kassel nicht singen durfte.
Angelina Arnold – als Svetlana Sergievsky
Die
hausbackene, russische Ehefrau von Anatoly, die als Trumpfkarte nach Bangkok
eingeflogen worden war, erschien auf den ersten Eindruck auch völlig
unscheinbar. Später allerdings wusste sie mit enormer Stimme zu beeindrucken
und konnte sogar ohne Probleme neben Annika bestehen. Wunderschön das
gemeinsame Lied der beiden Frauen „Ich weiß, was er fühlt“.
Überzeugt?
Oder muss ich noch mehr erzählen? Nein, ich denke dieses Stück war absolut
Spitze und wirkte noch sehr lange nach. Auf den ersten Eindruck wirkte alles
sehr einfach. Auf der Bühne war nur das allernötigste zu sehen, die Lieder
wurden mühsam durch Dialoge verbunden, es gab keinen richtigen Schluss – alles
blieb offen – und trotzdem sind wir aus dem Theater gegangen mit dem Eindruck,
etwas Wunderschönes gesehen zu haben. Erst nach und nach konnte man das volle
Ausmaß dessen begreifen, was man gerade erlebt hatte. Absolut
Spitze!
Wann
ist doch gleich wieder die nächste Vorstellung???.................
Wächtersbach, den 26.02.2002 /
G.+S.Kauck