Gudrun Kauck: Phantom der Oper, Libretto, Texte, Hannibal

1. Szene – Auf der Bühne der Pariser Oper

 

 

- Eine Probe zu „Hannibal“ -

 

 

CARLOTTA:    

Dies Zeichen seines Sieges, seines Sieges,

der uns erretten wird von Rom!

MÄDCHENCHOR:        

Wir kommen mit Tanz und Gesang,

herbei zur großen Feier,

und grüßen mit jubelndem Klang,

die Helden als Befreier!

MÄNNERCHOR:          

Trompeten Karthagos erschallt,

hört, Römer, und erschauert.

Fürchtet Karthagos Gewalt,

Trommeln trommt, Hannibal kommt!

PIANGI:

Ach, ich komm heim und seh das Vaterland

wieder bedroht von Romas gieriger Hand.  

REYER:           

Nein, nein, nein! Signor Piangi, wenn Sie gestatten: „Rom“.

Wir sagen „Rom“, nicht „Roma“.

PIANGI:

Si, si, Rom, nicht Roma. Ist schwer für mich. Rom, Rom . . .

REYER:

Also, dann noch einmal, wenn Sie so freundlich wären, Signor.

„Ach, ich komm heim . . .“

LEFÈVRE:       

Hier entlang, meine Herren, hier entlang.

Wie Sie sehen, läuft gerade die Probe für unsere Neuinszenierung von Chalumeaus Hannibal.

Meine Damen und Herren, einige von Ihnen kennen vielleicht schon Monsieur André und Monsieur Firmin...    

REYER:

Entschuldigen Sie, Monsieur Lefèvre, aber wir sind gerade mitten in der Probe. Wenn Sie vielleicht noch einen Moment warten könnten?

LEFÈVRE:

Tut mir leid, Monsieur Reyer. Machen Sie weiter, machen Sie weiter . . .

REYER:

Danke, Monsieur. „Ach, ich komm heim . . .“, . . . Signor . . .

LEFÈVRE:       

Monsieur Reyer, unser erster Repetitor. Etwas tyrannisch, muß ich sagen.

PIANGI:

Ach, ich komm heim und seh das Vaterland

wieder bedroht von Roms gieriger Hand. 

Doch morgen trotzen wir der Römer Macht,

freut euch, das Heer ist heimgekehrt heut Nacht.

 

LEFÈVRE:       

Signor Piangi, unser erster Tenor. Harmoniert ausgezeichnet mit La Carlotta.

 

-          Ballet tanzt

 

MADAMR GIRY:          

Bitte, Messieurs! Würden Sie freundlicherweise die Bühne freihalten?!

LEFÈVRE:

Entschuldigen Sie, Madame Giry! Madame Giry, sie leitet das Ballett. Ehrlich gesagt, Monsieur Firmin, bin ich nicht gerade traurig darüber, den Laden hier los zu sein.

FIRMIN:          

Eins haben Sie uns immer noch nicht gesagt, Monsieur: Weshalb ziehen Sie sich eigentlich zurück?

LEFÈVRE:

Wir.. eh ...wir können wirklich sehr stolz sein auf den hohen Standard unseres Balletts.

ANDRÉ:           

Wer ist die Kleine, Lefèvre?

LEFÈVRE:       

Die? Meg Giry, Madame Girys Tochter. Ein vielversprechendes Talent, Monsieur, sehr begabt.

MADAME GIRY:

He, Christine Daeé, reiß dich zusammen!

MEG:

Christine, was hast du?

FIRMIN:          

Daeé? Komischer Name.

LEFÈVRE:       

Schwedisch.

ANDRÉ:

Verwandt mit dem berühmten Geiger?

LEFÈVRE:       

Ja, seine Tochter, glaube ich. Schwebt leider immer irgendwie in den Wolken.

CHOR:

Den Kampf-Elefanten ein Heil, Karthagos Macht und Segen,

durch sie wird der Sieg uns zuteil – Didos Schutz! Hannibals Trutz!

CARLOTTA:    

So naht er, so kehrt er zurück,

mein Liebster ist mein Leben.   

PIANGI:          

So naht sie, o seliges Glück,

ihr will ich mich ergeben!

CHOR:

Ihr Kampf-Elefanten ertönt,

hört, Römer und zittert.

Marschiert, dass die Erde erdröhnt,

Trommeln trommt! Hannibal kommt!

 

- Orchester-Ende -

 

LEFÈVRE:       

Meine Damen und Herren – danke, Madame Giry –,

bitte sehr, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten.

Die Gerüchte über meine bevorstehende Abdankung kursieren

ja nun schon seit einigen Wochen. Ich darf Ihnen heute mitteilen,

dass diese Gerüchte durchaus der Wahrheit entsprechen,

und habe das Vergnügen, Ihnen diese beiden Herren

als die neuen Eigentümer der Opéra Populaire vorzustellen,

Monsieur Richard Firmin und Monsieur Gilles André.

Meine Herren, Signora Carlotta Guidicelli, unsere erste Sopranistin seit nunmehr fünf Spielzeiten.

ANDRÉ:           

O ja, natürlich. Ich habe Sie in all Ihren großen Rollen bewundert, Signora.

CARLOTTA:    

Piacere.

LEFÈVRE:

Und Signor Ubaldo Piangi.

FIRMIN:

Eine Ehre, Signor.

PIANGI:          

Piacere.

ANDRÉ:

Wenn ich mich recht erinnere, gibt es im dritten Akt von „Hannibal“ eine wunderbare Arie der Elissa.

Schlagen Sie mir, Signora, nicht den Wunsch ab, uns eine private Kostprobe Ihrer Kunst zu geben.

Vorausgesetzt natürlich, Monsieur Reyer hat nichts dagegen.

CARLOTTA:    

Mein Direktor befiehlt . . . Monsieur Reyer?

REYER:

Meine Diva befiehlt. Genügen zwei Takte als Einleitung?

FIRMIN:          

Zwei Takte genügen vollkommen.

REYER:

Signora?

CARLOTTA:

Maestro

 

 

- Denk an mich –

 

CARLOTTA:

Maestro!
Denk an mich!
Denk an mich zärtlich, wie an einen Traum!

Erinn're dich, keine Macht trennt uns außer Zeit und Raum!

An dem Tag, wann er auch kommen mag,

an dem du Abschied nimmst von mir.

Lass das Gestern weiter leben, schließ es ein in dir.

Denk an mich, denk an mich täglich.....AHHHH!


MEG/BALLETTMAEDCHEN/CHOR:
Ganz nah ist das Phantom der Oper!

Ganz nah ist das Phantom der Oper!

Hier im Raum ist ein Gespenst.....
ANDRE:
Teufel, was ist das für eine Pflegelei!
FIRMIN:
Mademoiselle, bitte!

PIANGI:

Cara! Cara! Bist du verletzte?

Die sind verrückt!

ANDRE:

Signora, ist alles in Ordnung? Buquet!

PIANGI:

Nimmt hier keiner Rücksicht auf die Primadonna?

LEFÈVRE:

Buquet? Wo ist Buquet? Lassen Sie den Kerl herunterkommen.

Der Mann vom Schnürboden, der hat das zu verantworten.

Buquet, um Himmels Willen, Mann!  Was geht da oben vor?

BUQUET:

Ich, Monsieur, hab nicht gemacht.

Weiß Gott, wer da dauernd an den Drahtzügen reißt.

Ich, Monsieur, gab gründlich acht,

wenn wer da oben ist, dann ist es ein Geist.

MEG:

Ganz nah ist das Phantom der Oper.

FIRMIN:

Zum Teufel, das ist allerdings ein starkes Stück!
ANDRE:
Signora bitte!
So etwas kommt vor.
CARLOTTA:
So etwas kommt vor? So etwas kommt vor?

Was wissen Sie schon?

Sie sind ja erst fünf Minuten hier!

Si! „So etwas kommt vor“ andauernd. In den vergangenen drei Jahren
kommt so etwas ständig vor.

Und haben Sie etwas unternommen dagegen? No!

Und Sie? Sie sind auch nicht besser!

So etwas kommt vor!
Nun, wenn Sie nicht dafür sorgen,

dass so etwas nicht mehr vorkommt,

dann wird so etwas nicht mehr vorkommen!

Ubaldo! Andiamo!

PIANGI:

Dilletanti!

LEFÈVRE:

Nun, meine Herren, ich glaube, dass ich ihnen nicht weiter hilfreich sein kann. Viel Erfolg! Wenn sie meiner bedürfen, erreichen sie mich...

...auf Mallorca.

FIRMIN:

André?

ANDRE:

La Carlotta wird wiederkommen.

GIRY:

Wirklich Messieurs? Ich habe eine Nachricht für Sie, meine Herren, vom Operngeist.

FIRMIN:

Gütiger Himmel! Hier sind alle verrückt.

GIRY:

Er heißt sie nur willkommen in seinem Opernhaus.

Befiehlt, dass auch sie ihm bei allen Vorstellungen die Loge Fünf freihalten und erinnert sie daran, dass sein Gehalt fällig ist.

FIRMIN:

Sein Gehalt?

GIRY:

Monsieur Lefèvre hat ihm zwanzigtausend Francs jeden Monat bezahlt.

Vielleicht können sie ihm mehr zahlen,

jetzt wo der Vicomte de Chagny das Theater unterstützt?

RAOUL:

Madame, ich hatte gehofft, diese Neuigkeit selbst bekannt geben zu können.

GIRY:

Wird der Vicomte sich die Vorstellung heute Abend ansehen?

FIRMIN:

Ja, in unserer Loge.

ANDRE:

Madame, wer ist die Zweitbesetzung für die Rolle?

REYER:

Es gibt keine Zweitbesetzung, Monsieur.

Die Inszenierung ist neu!
MEG:
Christine Daaé  könnte die Rolle singen, Monsieur.
FIRMIN:
Das Chormädchen?
MEG:

Sie nimmt Unterricht bei einem hervorragenden Lehrer.

ANDRE:

Bei wem?

 

CHRISTINE:

Ich weiß nicht...

FIRMIN:

Fang du nicht auch noch an! Zum Verzweifeln!

Ein ausverkauftes Haus und wir müssen ausfallen lassen.

GIRY:

Lassen Sie sie vorsingen, Monsieur.

Sie hat eine gute Ausbildung.

ANDRE:

Also gut!

FIRMIN:

André, bitte!

REYER:

Also dann ab da, wo die Arie beginnt, Mademoiselle. 

 

Aufgeschrieben wie gehört von G.K. 2005

twww.gudrun-kauck.de - 2005