Abschied von Ian Jon Bourg als Phantom Die letzte Vorstellung seiner
Spielzeit in Essen am 24. September 2006 – 19.30 Uhr Auch nach über einer Woche
Abstand ist mein Bericht sehr emotional ausgefallen – aber es ist der
Eindruck, der mir von dieser Vorstellung geblieben ist. Vielleicht versteht
der eine oder andere ja, was ich damit ausdrücken möchte. Wie immer also hier
meine sehr subjektiven persönlichen Eindrücke einer unvergesslichen
Vorstellung! |
Der 24. September
2006 hing wie ein Damokles-Schwert über dem ganzen Sommer. Verdrängen half
nichts, weil ja immer wieder darüber gesprochen und geschrieben wurde. Und
nun war der Tag da – wettermäßig ein schöner, warmer Herbsttag – der Tag der
letzten Vorstellung von Ian Jon Bourg als „Phantom“ in Essen. Da wir die
Nachmittag-Vorstellung mit dem „falschen“ Phantom lieber hatten ausfallen
lassen, konnten wir den Tag ruhig angehen lassen und die Blumen für den Abend
vorbereiten. Zum Reden hatten wir keine Lust und deshalb hielten wir uns wohl
auch lieber getrennt in den Hotelzimmern auf. Gegen 18.00 Uhr
marschierten wir Drei dann mit unseren Blumen-Eimern auf dem „Schleichweg“
ins Theater, gaben die Blumen an der Garderobe ab und warteten im Foyer. Es
waren sehr viele Leute extra wegen dieser letzten Vorstellung von Ian nach
Essen gekommen, man konnte sehr viele liebe Bekannte wiedersehen, aber die
Stimmung war doch sehr verhalten – da half auch der Sekt nichts, den wir
ausnahmsweise schon vor der Vorstellung getrunken haben. Als wir dann unsere
Plätze in der ersten Reihe einnehmen konnten, stellten wir fest, dass um uns
herum lauter bekannte Gesichter saßen. Wenigstens waren wir nicht alleine mit
diesem besch….. Gefühl des endgültigen Abschieds. Ehe die Vorstellung
begann, trat eine Dame vom Theater auf die Bühne und erinnerte an das
Jubiläum vom Phantom in Essen – ein Jahr spielt diese Produktion nun schon.
Da nach einem Jahr aber auch Castwechsel ist, hatten an diesem Abend Rebecca
Borchert (Orchester), Alyssa Preston (Confidente), Annabel Knight (Meg Giry),
Annette Kuhn (Madame Giry), Daniel Brenna (Piangi) und Ian Jon Bourg
(Phantom) ihren letzten Spieltag. Dass Ian nur unter „ferner liefen“ kurz
genannt wurde, gab uns einen mächtigen Stich ins Herz. Warum konnte man denn
nicht mal ein paar Worte mehr über diesen großartigen Phantom-Darsteller
verlieren, der die Rolle so verinnerlicht und geprägt hat, wie kaum ein
anderer? Irgendwie war das doch wieder typisch für dieses Theater, bei dem es
den Anschein hat, als würden nur bestimmte Leute mit ihrer Leistung anerkannt
– andere dagegen lieber mal unerwähnt bleiben. Aber hatten wir nach den
ständigen Spielplanänderungen für die letzten Tage überhaupt noch etwas
anderes erwartet? Bis heute ist auch kein Bericht auf der offiziellen Seite
der Stage Entertainment erschienen, dass Ian seinen letzten Spieltag hatte,
kein Foto, kein Pressebericht – nichts! Die Vorstellung
lief ab, wie jede andere Vorstellung auch – also keine besonderen Gags oder
kleinen Veränderungen im Ablauf. Wir hatten uns so gewünscht, dass der
scheidende Direktor Lefèvre doch dieses Mal anstatt auf „Mallorca“ lieber auf
„Hawaii“ zu finden gewesen wäre. Daniel Brenna
nutzte als Einziger die Gunst der Stunde und hielt seinen Ton länger als
sonst üblich – aber das war wirklich alles was mir aufgefallen ist, was
anders war. Es war eine
unglaublich gute, emotional sehr starke Vorstellung ohne Fehler und sichtbare
Pannen. Ich hatte aber bei Anne den Eindruck, als wäre ihr auch während der
Vorstellung bewusst, dass dies nun die letzte gemeinsame Vorstellung mit Ian
wäre. Für uns war es nur
schwer zu ertragen, dass wir das nun nicht mehr sehen würden – kein schneller
Ausflug nach Essen zum „Ian tanken“, wie wir das im vergangenen Jahr so oft
gemacht hatten. Das Gefühl der inneren Leere machte sich breit und die Tränen
waren nicht mehr zurückzuhalten. In der Pause holten
wir dann unsere Blumen in der Garderobe ab, die dieses Mal nicht nur für Ian,
sondern für die gesamte Cast gedacht waren. Für Ian hatten wir noch einen
zusätzlichen Strauß mit einem persönlichen Abschiedsgruß vorbereitet. Der zweite Akt ging
dann an mir vorbei, ohne dass ich mir dessen bewusst wurde – plötzlich war
schon der Final Lair und dann kam auch schon Meg und zeigte die
zurückgelassene Maske – Ende! Viele im Publikum waren sehr ergriffen. Während
der letzten Szenen hörte man deutlich die Schluchzer und schniefenden Nasen.
Als der Vorhang gefallen war, dauerte es dann auch einen Moment, ehe der
verdiente Beifall losging. Wir warfen unsere
Blumen wie in Trance – ich konnte mich später an nichts mehr erinnern. Und
dann kam Ian zum letzten Mal um die Ecke, um dann durch das Spalier der
Darsteller auf die Bühne zu kommen – ging er langsamer als sonst? – oder kam
mir das nur so vor? Er wurde vom Publikum gefeiert – verdient gefeiert, denn
das was er auch an diesem Abend noch geleistet hatte, war wie immer
außergewöhnlich gut gewesen! Durch die vielen
Blumen, die schon auf der Bühne lagen, bahnte er sich vorsichtig seinen Weg
nach vorn, wo ihm noch weitere Blumen gereicht wurden. Auch das Theater
überreichte standardmäßig den Strauß aus roten Rosen, den die anderen
Ausscheidenden auch bekommen hatten. Ian bedankte sich beim Orchester,
bedankte sich bei seinen Kollegen und immer wieder bei seinem Publikum. Der
übliche Schlußapplaus-Ablauf war kurz unterbrochen, weil alle Darsteller auf
der Bühne blieben, ohne dass der Vorhang heruntergelassen wurde. Dann dachten wir
schon, dass Ian vielleicht eine Abschiedsrede halten würde. Er lief auf die
Seite der Bühne, legte seine vielen Blumensträuße ab und kam mit etwas zurück
auf die Bühne, das auf den ersten Blick wie ein Mikrophon aussah. Ian
forderte aber Christian Müller auf, auf die Bühne zu kommen. Und dann zeigte
Ian wirkliche Größe!!!! Während seines Schlussapplauses, während sein
Publikum ihn feierte, reichte Ian das Staffelholz (kein Mikrophon also) an
seinen jungen Nachfolger weiter und umarmte ihn herzlich. Für mich zeugte das
von wirklicher Größe und charakterlicher Stärke, aber noch nicht einmal diese
Geste war dem Theater ein Foto auf einer offiziellen Seite oder eine
Erwähnung wert! Als sich Ian dann
wieder in der Reihe der Darsteller eingefügt hatte, begann das Orchester die
Schlussmelodie zu spielen und Ian und die Anderen mussten aufpassen, dass
ihnen der Vorhang nicht auf den Kopf fiel – der Vorhang wurde
heruntergelassen – Ende! Kein zusätzlicher Vorhang, keine Verzögerung in
irgend einer Form. Warum kann man denn nicht einmal an so einem emotional
geprägten Tag Rücksicht auf das Publikum nehmen?? Das Publikum wollte die
Darsteller und besonders Ian ehren, aber darauf nahm niemand Rücksicht – und
so wurden wir dann auch ziemlich schnell aus dem Theater verwiesen, weil man
den Saal schließen wollte. Im stummen Marsch
wanderten die Fans von Ian danach gemeinsam zum Stage Door. Ian hatte
versprochen, dass er sich von seinen Fans verabschieden würde und darauf
warteten nun ca. 50 Personen in dieser dunklen und an diesem Abend besonders
stinkigen Gasse am Bühneneingang. Wie immer konnte
man sich auf die Versprechen von Ian verlassen – nach einer Weile kam er
wirklich zu seinen Fans. Endlich konnten wir ihn auch wieder einmal mit
offenen Haaren sehen J - obwohl wir auch
darauf verzichtet hätten, wenn wir ihn weiter auf der Bühne hätten erleben
dürfen! Nicht nur Ian sagte
in diesen Minuten sehr wenig – auch seine Fans waren eher sprachlos. Man fand
einfach nicht die richtigen Worte für diesen Abschied. Es wurden viele Fotos gemacht
und Ian gab viele, viele Autogramme. Auf mich wirkte er in diesen Minuten,
als hätte er das Thema „Phantom in Essen“ innerlich abgeschlossen. Auch wenn es immer
wieder falsch geschrieben und verkündet wurde: Das Thema „Phantom“ ist für Ian nicht
endgültig abgeschlossen! Er würde die Rolle
gerne wieder spielen und ich denke, dass seine Fans sich das auch wünschen,
dass er irgendwann wieder in die Maske schlüpfen wird! Natürlich würden wir
ihn alle auch gerne in anderen Rollen wiedersehen, aber Ian hat der Rolle des
Phantom eine Prägung gegeben, die es für jeden anderen Darsteller schwer
machen wird, in diese übergroßen Fußstapfen zu passen. Das Phantom in
Essen hatte für mich eine ganz besondere Bedeutung, die ich allein Ian Jon
Bourg zu verdanken habe. Durch ihn habe ich einen Zugang zu einem
wunderschönen Musical gefunden, den ich sonst niemals in dieser Weise
gefunden hätte. Ich habe in Ian einen geduldigen Erklärer gefunden, der alle
meine Fragen beantworten konnte – meist sogar mehr als ich gefragt habe J. In diesen
Gesprächen wurde mir klar, mit wie viel Herzblut er auch nach 12 Jahren noch
an dieser Rolle hängt, wie er jede einzelne Geste hinterfragt hat und
erklären kann – Ian ist kein Phantom, aber er schlüpft komplett in diese
Rolle für die Dauer der Vorstellung. Dann denkt und fühlt er wie diese
geschundene Kreatur in den Katakomben der Pariser Oper. Danke, Ian, für
ALLES – für die vielen unvergesslichen Vorstellungen, die sehr intensiven
Gespräche und auch für die gemütlichen Stunden in Essen. Ich bin stolz und
dankbar, dass ich das alles erleben durfte. |
Gudrun Kauck, 03.10.2006 |