Crazy For You!!

 

Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier (MiR)

23. November 2002

 

Unser Gaines, der macht’s mit uns!! In die seltsamsten Theater werden wir von ihm gelockt – zum Tits-Theater, in den Posthofkeller, das „Frizz“ in Kassel und nun auch noch zum Musiktheater im Revier nach Gelsenkirchen.

Eigentlich wollten wir ja schon zur Premiere da sein – hatten auch schon Karten gekauft – aber der große Sturm am 27. Oktober machte uns einen Strich durch die Rechnung. Nun also kurzfristig dieser Termin. Donnerstag gegen Abend angerufen, es hatte zufällig jemand Karten zurückgegeben und wir haben die natürlich gleich genommen.

 

Die Fahrt nach Gelsenkirchen war sehr weit – knapp über 300 Kilometer mussten wir zurücklegen – aber zum Glück meinte es das Wetter ganz gut mit uns. Außer ein paar Nebelfeldern und streckenweise leichtem Regen, konnten wir nicht klagen. Es gab weder Stau noch Unfall und so hatten wir schon gegen 17.00 Uhr unser Ziel erreicht. Bis zur Öffnung der Kasse hatten wir noch Zeit und so sahen wir uns dann erst mal auf dem Weihnachtsmarkt um und tranken gemütlich einen Kaffee/Kakao.

 

Das Musiktheater in Gelsenkirchen ist ein Neubau, bei dem der Architekt anscheinend freie Hand hatte. Riesige, gläserne Treppenaufgänge, weitläufige Garderoben, große Ausschanktheken – alles weiß und kalt – und ganz viele Türen (insgesamt 22!!), die in den eigentlichen Saal führen.

Der eigentlich Saal dann eher enttäuschend klein im Verhältnis zu dem Foyer. Enge Stuhlreihen, die kaum eine Positionsveränderungen zuließen, und Stühle, die ihre beste Zeit schon hinter sich hatten. Alles wirkte eng und dicht gedrängt – fast schon beängstigen, weil man wirklich nur durch eine bestimmte Tür den Raum wieder verlassen konnte.

Das Orchester saß auf der Bühne – noch vor der eigentlichen Bühne. Es kam uns so vor, als wären die Plätze in den vorderen Reihen hier nicht die beste Wahl. Wir hatten Reihe 11 und waren eigentlich ganz zufrieden damit.

Das Orchester spielte die Ouvertüre und als sie damit fertig waren, wurde das gesamte Orchester in den Orchestergraben hinuntergefahren. Die Sicht war also doch frei – eine interessante Variante.

 

Schon bei der Ouvertüre merkte man, dass sehr viele bekannte Melodien aus diesem Stück kommen mussten, die man hier gar nicht vermutet hätte z.B. „I got rhythm, I got music“. Gesungen wurde in Englisch, gesprochen in Deutsch. Für diejenigen, die kein Englisch verstanden, wurde der Text auf einer großen Leinwand über der Bühne auf Deutsch eingeblendet.

 

Die Handlung ist in wenigen Sätzen erzählt:

Bobby Child, Sohn einer reichen Bankierfamilie, liebt die Bühne. Er gibt sich alle Mühe und tanzt auch dem ungarischen Produzenten Bela Zangler vor. Aber es gelingt ihm nicht, ein Engagement zu bekommen. Stattdessen wird er von seiner Mutter in die Wüste Nevada geschickt, um das bankrotte Gaiety Theater im Auftrag der Bank zu liquidieren.

Dort angekommen, verliebt er sich in die Tochter des Besitzers, Polly. Die kann ihn natürlich nicht ausstehen, weil er ihnen ja das Theater abnehmen will. Bobby schlüpft in die Rolle von Bela Zangler, mobilisiert seine Freunde in New York und die raubeinigen Cowboys aus Deadrock und stellt eine großartige Show auf die Beine, die das Theater vor dem Ruin retten soll.

Der Traum zerplatzt aber gleich wieder, weil niemand zu der Show in die Wüste kommt, außer einem englischen Geschwisterpaar, das einen Reiseführer schreibt.

Polly hat sich in den als Bela verkleideten Bobby verliebt und will nun auch nicht glauben, dass er diese Rolle nur gespielt hat. Enttäuscht fährt er nach New York zurück.

Bobby reist ab – Zangler kommt an. Der echte Zangler ist sofort bereit, seinen Namen und sein Geld zur Verfügung zu stellen und das Theater zu retten, was ihm auch gelingt. Polly denkt, dass sie „ihren Bela“ vor sich hat und „der richtige“ weiß gar nicht, wie ihm geschieht, als sie ihn auch noch küsst. Natürlich kommt der falsche Bela gerade wieder an und es kommt zu zahlreichen Verwirrungen und Verwechslungen, bis sich letztendlich doch die richtigen Paare zusammen finden.

Amerikanisches Musiktheater im Stil der großen 50er-Jahre Shows.

Das wäre ja auch eigentlich schon alles gewesen, wäre da nicht ein Gaines Hall auf der Bühne gewesen, der sich selbst übertroffen hat.

Gleich in der ersten Szene legte er einen Stepptanz auf die Bühne, der Gene Kelly und Fred Astaire zusammen neidisch gemacht hätte. Klasse, perfekt getanzt und auch gesungen.

Aber nicht nur tanzen kann Gaines sensationell gut, nein auch die Komik des Stückes kam ihm gelegen. Er reizte wirklich jeden Gag aus, ohne in Slapstick zu verfallen und wer zudem Gaines noch besser kennt, konnte noch weitere Gags zwischen den Zeilen erkennen. Wenn er zum Beispiel über seine Mutter ablästert (im Stück genau so, wie sonst auch privat), dann hat das einfach einen Lachfaktor, dem man sich nicht widersetzen kann. „Meine Mutter – schickt mich in die Wüste!“ Oder wenn er beim Schlussakkord des Liedes zuerst Bela Zangler auf dem Fuß steht und später dann auch Polly und die nur noch sagen können: „Fuß! Fuß!“     

 

Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, als würde Gaines einfach nur sich selbst spielen. Es schien, als wäre das Stück für ihn geschrieben.

Wirklich urkomisch wurde es dann, als Gaines verkleidet als Bela Zangler auf die Bühne kommt. Mit schwarzer Perücke, Schnurrbart und ungarischen Akzent (als Amerikaner!!) einfach zum Brüllen komisch. Er tanzte auch anders als sonst, bewegte sich anders als, sprach anders – er spielte perfekt eine andere Figur.

 

Der Spaß wurde dann auf die Höhe getrieben, als der richtige Zangler noch dazu kam. Der unglückliche Bobby hat sich einen Rausch angetrunken und der gleichfalls unglückliche Zangler auch. Beide sind in der einzigen Kneipe im Ort, kommen aus verschiedenen Richtungen auf einen Tisch zu und setzen sich gegenüber hin. Jeder denkt, er habe sein Spiegelbild vor sich und so trinken und essen sie auch synchron. Diese Szene ist ohne Ton und Musik, aber dermaßen saukomisch, dass wir fast vom Stuhl gerutscht wären vor Lachen – ich sehe immer noch das Würstchen kreisen, ehe es den passenden Mund findet.

Am nächsten Morgen findet Polly die beiden Belas vor und muss nun langsam glauben, dass sie sich doch in Bobby verliebt hat. Der richtige Zangler versteht immer noch nicht ganz und fragt Bobby ganz trocken, ob er heute Abend als Bobby oder Bela kommen würde. Bobby antwortet: „Ich komme als ich!“, darauf Zangler: „Also gut, dann komme ich auch als ich.“ Das kam aus der Situation heraus dermaßen lustig rüber, dass sich der ganze Saal vor Lachen den Bauch hielt.

 

Aber es wäre sicher unfair, wenn ich nur Gaines loben würde. Das ganze Ensemble war sehr gut. Es wurde gesteppt, gesungen und wirklich sehr gut geschauspielert. Ein tolles Team!

 

Besonders erwähnen müsste ich vielleicht aber noch die Kostüme von Gaines. Er machte in allen wirklich eine tolle Figur – im Schwalbenschwanz mit Chapeau-Claque und Stock, im weißen Anzug und im Nadelstreifenanzug von Bela. Also muss das Stück doch für ihn geschrieben worden sein!! – und kein Cowboy-Hut trotz des Promo-Fotos!

 

 

 

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